Alte Leidenschaft, neue Bekanntschaften- Wiederbeginn unter neuen Vorzeichen.

 

 

Der 2. Weltkrieg endete offiziell mit der Kapitulation am 7. Mai 1945. Unter der ab diesen Zeitpunkt für die Deutschen zuständige „Regierung“, die Alliierten- Kommission“ konnte man als deutscher Bürger schon zumindest wieder „freier Atmen“. Jetzt stand für alle die Bewältigung der Folgen an. Materiell wie auch gesellschaftlich. Eine wie sich aus heutiger Sicht zeigt, schwierige und komplexe Aufgabe, die nicht an einem Tag erledigt werden konnte.

Wir Flieger waren in der Form davon betroffen, dass wir erst mal für unbestimmte Zeit „gegroundet“ waren. Die Alliierten Kommission hatte über einen Erlass das Fliegen in jeglicher Form für deutsche Bürger absolut verboten. Ebenso den Bau von Fluggeräten sowie auch die Gründung von Vereinen und Gruppierungen, die das Fliegen zum Ziel hatte.  

Die Wiederzulassung erfolgte dann endlich nach vielen, vielen Eingaben mit Erlass der Alliierten Kommission vom 28.4.1951 (siehe auch Scan in diesem Artikel) zum Juni des selben Jahres. Allerdings nur in Stufen. Also erst mal nicht motorisiert.

Für mich endete die Zeit des 2. Weltkriegs endgültig mit meiner Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft im April 1947. Ich war 25 Jahre alt. In den vergangenen 10 Jahren, also seit ca. meinem 15. Lebensjahr hatte ich wie viele aus meiner Generation mehr oder weniger in einer von Außen bestimmten, strukturierten und in gewisser Weise geordneten Welt meine Entwicklung vom Jugendlichen zum Erwachsensein erlebt. Ein bisher nie gekanntes Gefühl war es für mich plötzlich völlig auf eigenen Füssen zu stehen und für alles selbst verantwortlich zu sein. Die Heimat war aus politischen Gründen nicht mehr erreichbar. Da stand ich nun in einer zwar nicht ganz fremden Umgebung aber mit nix weiter als ich in den Händen tragen konnte. Glücklicher Weise hatte es auch die Schwester meines engsten Fliegerkameraden aus Jugendzeiten ins Rhein Main Gebiet verschlagen. Er selbst kam trauriger Weise aus dem Krieg nicht zurück. Als Pilot seiner HE- 111 war er bereits im November 1942 mit seiner Maschine und der Besatzung im südlichen Russland als verschollen gemeldet und es fand sich auch bis heute keine Spur. 

Ruth und ich kamen uns näher und heirateten im Juni 1948. Frankfurt am Main hieß uns willkommen und wie Tausende mit gleichem Schicksal beschlossen wir, hier in dieser Metropole heimisch zu werden und gemeinsam einen Neuanfang in eine Gesellschaft mit ganz neuen Vorzeichen zu wagen. Zusammen mit meinen Schwiegereltern fanden wir eine kleine Wohnung. Wir hatten ein Dach überm Kopf! Mit Gelegenheitsarbeiten über die wir sehr glücklich waren konnten meine Frau und ich erst mal für unser Auskommen sorgen. Dadurch lernten wir auch neue Leute kennen. Wir bekamen von dort und da etwas ausrangiertes geschenkt. So erhielten wir die Möglichkeit uns fürs erste eine Grundbedarf an Hausrat einzurichten. Nachdem so unser Tagesablauf und das Leben wieder einigermaßen organisiert und strukturiert war, hatte ich in meinem Kopf wieder etwas mehr Platz. Eine langjährige, alte Leidenschaft meldete sich bei mir. Fliegen! Aber daran war für mich zu der Zeit schon wirtschaftlich nicht zu denken. Zudem war ja der Bau von Flugzeugen und auch Fliegen für deutsche Bürger ein absolutes Tabu. Um dieser Sehnsucht aber zumindest eine neue, anfängliche Basis zu geben, wollte ich wie auch viele Andere wenigstens mein C- Leistungsabzeichen, welches mir abhanden gekommen war, wieder führen. Aber von wem sollte ich es erhalten, an wen könnte ich mich dazu wenden? Es gab ja noch keinen offiziellen Verband oder Einrichtung. Da erfuhr ich Mitte 1948 in einer Ausgabe des damaligen Monatsmagazin „Thermik“, herausgegeben von Hans Deutsch, dass der bekannte ehemalige Konstrukteur und Flugzeughersteller im Schwäbischen, Wolf Hirth, der umständehalber zu der Zeit unter anderem auch Kinderwagen produzierte, nach Einreichung glaubhafter Angaben ein neues, vorläufiges Abzeichen ausgeben konnte. Im Oktober 1948 bemühte ich mich darum und so konnte ich mich bald darauf mit Hilfe dieser Auszeichnung wieder ein klein wenig als Flieger fühlen.

Wolf Hirth wurde ja mit der Gründung des Deutschen Aero Club am 4. 8. 1950, so lange waren wir noch ohne Dachverband, auch dessen erster Präsident.

Aber die Praxis blieb uns leider immer noch auf nicht abzusehende Zeit verwehrt. Wie etliche Gleichgesinnte versuchte ich in dieser Zeit wenigstens durch Modellflug der Flugleidenschaft etwas Raum zu geben.

In Frankfurt und dem Rhein- Main Gebiet gab es natürlich aus vergangenen Tagen viele Flugbegeisterte, die sich, sofern sie wieder in ihre angestammte Heimat zurück kamen, versuchten das Fliegerhobby neu aufzubauen. Dazu kamen aber wie auch ich etliche „Neue“, die das Schicksal hierher gespült hatte. Peu a` peu kam man durch hören- sagen in Kontakt. Einige Namen darunter waren mir schon aus früheren Zeiten bekannt.

Bis Ende 1948 hatte ich so bereits mit etlichen Gleichgesinnten Kontakt aufnehmen können. Aber aufgrund der nicht abzusehenden Aufhebung des Flugverbots und auch noch bestehenden vielen „privaten Baustellen" der Kameraden, hatte sich bis dahin in meiner neuen Frankfurter Heimat noch keine neue strukturierte Gemeinsamkeit ergeben.

 

Da flatterte mir Anfang Dezember 1948 eine Postkarte mit folgendem Absender in meinen Briefkasten. Der Name der Absenderin Ursula Gerlach sagte mir allerdings zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts.....

 

......dafür weckte der Inhalt der Karte bei mir höchstes Interesse!!!!

 

Mit Ursula Gerlach, in Segelfliegerkreisen später besser als Ursula Hänle bekannt, lernte ich eine Frau kennen, die von der Segelfliegerei wie kaum eine zweite besessen war. Aus persönlichen Gründen war sie aus ihrer Heimat, damals Ostzone- später DDR, nach Frankfurt übersiedelt. Mit ihrem impulsiven und burschikosem Naturell, dass sie ihr Leben lang auszeichnete, verstand sie es zu Begeistern und zu Organisieren. Gemessen an der damaligen Frauenrolle in der Gesellschaft und den Umständen der Zeit war sie aus heutiger Sicht geradezu eine „Powerfrau“! Sie war damals gerade 22 Jahre alt, aber wie auch der Kartentext zeigt, sieht man mit was für einem Engagement, Zuversicht und Weitsicht sie das Thema anging.

Als Werbegrafikerin fand sie zu der Zeit einen Job bei einem Frankfurter Reisebüro (ja, so was gabs damals doch schon) mit dem viel versprechenden Namen „Himmelreich“. Mit unglaublicher Energie gelang es ihr bald im Rhein- Main Gebiet mit von Ihr organisierten regelmäßigen Treffen sowie einigen Vorträgen bekannter Flieger eine Gemeinschaft mit bekannter Zielsetzung zu formieren. Auch gemeinsame Busfahrten, die sie mit Unterstützung ihrer Arbeitsstelle, dem Reisebüro organisierte, konnte sie mit Ausflügen wie zB. zur Wasserkuppe unser Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Obwohl an Fliegen noch gar nicht zu denken war.

Ein solcher Ausflug war auch das von ihr organisierte „Sommernachtsfest der Segelflieger“ im Mai 1949 in Kahl am Main. Auf meiner Aufnahme hier ist sie dabei in mitten der Teilnehmer zu sehen. Ich meine, da habe ich genau im richtigen Augenblick auf den Auslöser gedrückt. Die Geste gibt so ausdrucksvoll ihre unglaubliche „Power“ wieder, die sie mit ihren jungen 22 Jahren an den Tag legte. In meinem Album vermerkte ich jedenfalls treffend als Bildunterschrift „....Ursel spricht und alles hört zu.....!“

 

Im Februar 1949 gingen wir dann unter ihrer Leitung in die Offensive. Wir beschlossen die Gründung eines offiziellen Clubs um damit unser Streben auch nach außen hin zu manifestieren. Da gemäss dem Erlass im Titel in keinem Fall das Fliegen als Zweck der Vereinigung genannt werden durfte, nannte wir uns „ Segelflieger- Interessengruppe- Frankfurt“ und fertigten dazu zum 9. Februar 1949 die hier abgebildete Satzung an.

 

Mit solchen von ihr als Postkarte verschickten „Rund- Botschaften“ wie hier vom 19.2.49 wurde unser Kreis schnell größer.

 

Aber doch bereits Ende 1949 verließ sie uns und das Rhein- Main Gebiet. Mit ihrer unkonventionellen Art setzte sie in der Folgezeit speziell in der Entwicklung von Segelflugzeugen gemeinsam mit ihrem Ehemann Eugen Hänle Maßstäbe. In den folgenden Jahrzehnten, bis Anfang 2000 begegneten wir uns immer wieder mal zu verschiedenen Gelegenheiten und es gab jedes mal was zu erzählen. An die letzten Treffen mit ihr erinnere ich mich auf dem Flugplatz Ziegenhain bei Helmut von Keitz, wo ich zuletzt aktiv war. Dorthin kam sie auch des öfteren für mehrere Tage mit ihrem Wohnmobil, Hund und ihrer Salto im Anhänger zum Fliegen . (hier klicken)

Was sie damals ins Leben gerufen hatte, hatte Bestand und entwickelte sich erfolgreich weiter. Der Kreis der Flugbegeisterten im Frankfurter Raum wuchs weiter an. Regelmäßige Treffen fanden jetzt im Frankfurter Cafe Witte statt. Es gab Bestrebungen, den seit der Nazizeit zwangsaufgelösten „Frankfurter Verein für Luftfahrt“ neu zu beleben. Hier aber wieder das Problem mit der Namensgebung. So nannten wir den Club „Cumulus- Club für Sport, Technik und Wetterkunde“ . Mit dem Protokoll der Gründungsversammlung vom 19.4. 1950 meldeten wir den Verein offiziell an. Der erste Vorsitzende wurde Dr. Heinz Wachter.

 

 

 

Mein erster Clubausweis

Aber immer noch waren wir auf nicht absehbare Zeit auf dem Trockenen bzw. am Boden. Dennoch gingen die Aktivitäten zielgerichtet weiter. So wurden zB. Vorträge von bekannten Persönlichkeiten der Fliegerei organisiert.

Einladungen dazu siehe hier
 
 
und hier
 
 

Als Gäste kamen zu solchen Gelegenheiten auch bekannte Flieger. Hier ein Foto bei einer solchen Veranstaltung in der Frankfurter Uni im August 1950. 2.v. links Flugkapitän Erich Klöckner, in der Mitte „Rhönvater“ Oskar Ursinus, re. davon Rekordflieger Ernst Jachtmann

 

Das „debriefing“ solcher Abende fand dann meistens gemeinsam im „Clubtreffpunkt“ Cafe Witte statt. Hier ein Gruppenfoto eines solchen Treffens im März 1950. Auf dem Bild, 1. und 2. von links Rudi Reiter zusammen mit seiner Frau, die Eltern des deutschen Astronauten Thomas Reiter. Rudi, der ja hier aus dem Rhein- Main Gebiet stammt, lernte ich bereits während meiner Militärstationierung auf dem Platz in Eschborn kennen. Als 4. von links, hinten an der Gardine bin ich zu sehen. Als 6. von links, 2 Plätze neben mir, Helmut Sinn, Hersteller der bekannten und heute noch beliebten Sinn Fliegeruhren.

 

Auf diesem Foto vom gleichen Datum ebenfalls im Cafe Witte sind von links zu sehen Wolf Hirth, Hanna Reitsch, Ernst Jachtmann und ganz rechts Flugkapitän Erich Klöckner. Ihn traf ich auch noch in den 90ger Jahren (hier klicken)

 

Soweit so gut. Das Feld war bereitet aber immer noch nicht waren wir in unserem angestrebten Element, der Luft.

Da wandte sich Anfang 1951 unser Bundeskanzler Conrad Adenauer mit Nachdruck endlich noch mal an die Alliierte Kommission mit folgendem Wortlaut:

 

Und siehe da! Endlich!! Mit der abgebildeten Pressemitteilung vom 28. April 1951 gab die Kommission folgendes bekannt:

 

 

Jetzt war es also soweit. Die Erlaubnis war da, was allerdings jetzt fehlte war natürlich die „hardware“. Vom Bauverbot waren in der Vergangenheit ja auch die bisherigen traditionellen deutschen Hersteller von Segelflugzeugen betroffen. Auch alle nach dem Krieg noch vorhandenen Flugzeuge mussten offiziell entsprechend der Anordnung der Alliierten zerstört werden. Die Überraschung war groß, als kurze Zeit nach der Wiederzulassung bereits etliche Maschinen auf den schnell hergerichteten Plätzen auftauchten. Einige Clubs hatten wohl doch im Verborgenen versteckte Maschinen restauriert oder Neue bereits gebaut. Die Aktionen wurden so geheim gehalten, dass selbst wir Insider davon überrascht waren.

Nach der erfolgten Wiederzulassung im Juni 1951 wurde bereits ca. 4 Wochen später der Cumulus Club in seinen alten Namen umbenannt. Hier mein erster Ausweis.

 

Schnellstmöglich wurde eine Vereinswerkstatt eingerichtet. Hier eine Aufnahme von 1954 des Eingangsbereichs mit Hinweistafel.

 

 

Um baldmöglichst in die Luft zu kommen, schlossen sich mehrere Vereine im Rhein- Main Gebiet zusammen um gemeinsam ein Grunau Baby zu bauen. Jeder der beteiligten Vereine bekam die Aufgabe zur Anfertigung eines Bauteils des Fliegers. So entstand das Flugzeug sozusagen in Modulbauweise.Vorgefertigte Teile waren nicht zu bekommen, so musste man allein anhand von Plänen, die man über die früheren Hersteller beziehen konnte, alle Teile in Eigenarbeit anfertigen. Mit ca. 45 Mann waren wir dabei eine recht große Gruppe von Aktiven.

 

Im Frühjahr 1952 war es soweit. Das Baby war fertiggestellt. Wir konnten es kaum noch erwarten endlich wieder zu fliegen. Aber die Luftfahrerscheine waren ja mangels Praxis alle verfallen oder wie bei mir auch verloren gegangen.

 

Um eine Erneuerung der Lizenzen möglichst unbürokratisch zu bewerkstelligen, hatte der inzwischen eingerichtete Hessische Luftsportbund zu einem Wochenende auf den Flugplatz Hirzenhain im Westerwald alle interessierten hessischen Flieger eingeladen. Der Wetzlarer Fluglehrer Siegfried Waldner wurde autorisiert nach erfolgreich absolvierten Überprüfungsflügen die Lizenzen zu bestätigen.

 

Zu diesem Termin, das Wochenende zum 15. Juli 1952 fuhr auch unser Club mit einer großen Gruppe Flugwilliger und Mitglieder der anderen an dem Baby beteiligten Vereine in den Westerwald. Alles verlief anfänglich wie geplant. Einer nach dem anderem kam an die Reihe. Auch ich hatte bald meine 3 Überprüfungsstarts an der Winde hinter mir. Alles war ok. Ich hatte meinen Schein wieder.

 Auf dem hier gezeigten Bild seht Ihr das Baby während einer dieser Überprüfungsflüge.

 

Aber die Ernüchterung folgte kurz darauf. Es waren noch nicht alle durch, da passierte es. Ein Prüfling hatte seine bisherige Flugerfahrung wohl doch etwas überschätzt. Nach einer recht unsanften Landung war somit das Baby erst mal wieder ein intensiver Fall für die Werkstatt.

Da war der Frust bei allen natürlich groß. Einigen Kameraden und mir war schnell klar, das in einer so großen Gruppe es auch in der nächsten Zukunft zu Problemen dieser Art kommen würde. So tat ich mich mit 5 Kameraden aus der Gruppe zusammen und wir beschlossen schnellstmöglich unser eigenes Ding zu machen.

Um das zu manifestieren gründeten wir als erstes einen eigenen Club und benannten ihn nach dem bekannten Segelflugrekordflieger der frühen Jahre Günther Groenhoff. 

Mehr darüber im nächsten Beitrag in der Epoche 1953- 1956
 
 
 
 
 
 

 

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