Motorraab "Mora", D- KALP

 

Im Jahr 1968 war ich eines Tages mit dem Auto in der Umgebung meines damaligen Wohnorts Niedereschbach, ein kleiner Ort im Vordertaunus zwischen Frankfurt und Bad Homburg unterwegs. Bei einem Ampelstop hielt ich hinter einem Wagen an dessen Heck ein Kranichaufkleber prangte. Ich kam mit dem Fahrer ins Gespräch und erfuhr interessantes von ihm. Er war auch Flieger, wie mir schon der Aufkleber verriet, hieß Rolf Strasser und lebte in meinem Nachbarort Obereschbach unmittelbar an der Bad Homburger Stadtgrenze. Er war von Beruf selbstständiger Schreinermeister spezialisiert auf Treppenbau und hatte eine Werkstatt im Ortskern in einem geräumigen Hof unmittelbar an seinem Wohnhaus. Mitglied war er beim Luftsportclub Bad Homburg, deren Flugplatz Anspach nicht weit hinter dem Taunuskamm liegt. Und er war leidenschaftlicher Bastler.....!

 

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So zeigte er mir umgehend eines seiner letzten abenteuerlichen Projekte. Ein „Wintersportgerät“. An einem Messerschmidt Kabinenroller hatte er selbstgebaute Schneekufen montiert und hinten drauf einen VW- Käfermotor mit selbstgefertigter Luftschraube gepackt. Als Heizung (Wintersportgerät!) hat er die Auspuffrohre durch den Innenraum geführt. Das Ding funktionierte!!! Nicht nur die Heizung!!! So konnte ich gleich mal mit ihm über die schneebedeckten Felder düsen , die direkt hinter seinem Anwesen begannen. Unglaublich.

 

 

 

Und sein nächstes Projekt hatte er auch schon im Auge. Von den Butzbacher Fliegern hatte er einen ausrangierten Doppelraab, der eigentlich entsorgt werden sollte für DM 300.- übernommen. Den beabsichtigte er in Eigenarbeit ebenfalls mit einem Käfermotor auszurüsten und zu einem einsitzigen Motorsegler umzuwidmen. Mit diesem Vorhaben war er mit mir als Helfer natürlich an der richtigen Adresse. Zumal die „Baustelle“ in unmittelbarer Nähe zu meinem Wohnort lag. Von nun an musste die Familie (die 3 Kinder waren zum Glück ja bereits Jugendliche) an vielen Abenden ohne mich auskommen.

 

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Hier arbeiten wir Ende 1968 am bereits modifiziertem Rumpfgerippe.

 

 

 

 

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Hier beschäftige ich mich mit den Flächen

 

 

 

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Auch der Propeller entstand natürlich in Eigenarbeit. Später folgten dann noch weitere Exemplare mit unterschiedlichen Abmessungen.

 

 

 

 

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Und im September 1969 war es dann soweit. Der „roll- out“ stand an. Rolf war da auch sehr unkompliziert. Der Rumpf noch unverkleidet und ohne Haube wurde der Vogel von seinem Anwesen einfach auf einen geraden, betonierten Feldweg der nicht weit entfernt begann, geschoben. Dieses praktische Testgelände direkt vor der Haustür nutzten wir in der Folgezeit noch des öfteren. Noch einmal der Motor überprüft......

 

 

 

 

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....und Rolf packte sich warm ein zum Erstflug

 

 

 

 

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Wie er sich dabei mit seinen 1,92 Meter Größe zusammenfalten musste, ist hier gut zu erkennen

 

 

Fliegerisch verlief der Flug mit anschließender Landung auf dem Weg problemlos. Jedoch der Motor wurde dabei ziemlich warm, so dass da in jedem Fall noch gearbeitet werden musste.

 

 

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Ein „roll-out“ zum Starplatz aus der Werkstatt im Wohnviertel zu einem weiteren Testflug. Inzwischen hatten wir bereits mit D- KALP eine offizielle „Kilo- Kennung“ erhalten.

 

 

 

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Und der anschließende Start

 

 

 

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Hier nun vor dem 2. Testflug Ende September 1969. Rolf entspannt sich noch schnell mit einer Zigarette und der befreundete Automechaniker, der uns in Motorfragen weiter half ist auch interessiert dabei.

 

 

Mit den Arbeiten kamen wir gut voran, aber die thermischen Probleme des Motors sollten uns noch länger beschäftigen. So probierten wir es auch mit unterschiedlichen Luftschrauben.

 

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Rolf beim auswechseln einer Luftschraube auf dem Platz in Ockstadt bei Friedberg im Jahr 1970. Auch dort flogen wir zum ausprobieren einiger Luftschrauben unter der Woche „einfach mal so hin“. Kein Mensch außer uns war anwesend und niemand störte sich daran.

 

 

 

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Jedenfalls waren wir zu der Zeit mit unserem „Mora“ schon so populär, dass sich sogar die Lokale Zeitung dafür interessierte

 

 

Der Flieger war jetzt eigentlich soweit fertig gestellt und auch so langsam bekamen wir die Motorprobleme mit ausprobieren von vielen Kühlungsmöglichkeiten in den Griff. Viele schöne Flugstunden erlebten wir mit dem Mora über Deutschland und trafen uns dabei auch gern mit „Gleichgesinnten“ zum gemütlichen Erfahrungsaustausch.

 

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Der Mora über dem Westerwald

 

 

 

 

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Und beim Landeanflug in Anspach

 

 

 

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Bei einem dieser Treffen war auch der in dem Metier gut bekannte Hans Zacher im Juni 1971 in Burg Feuerstein zugegen und nahm den Mora fachlich kritisch unter die Lupe

 

 

 

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Im Jahr 1975 erhielten wir beim LBA in Braunschweig die endgültige Typenzulassung

 

 

 

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Auch ließ ich ihn mal ein wenig Höhenluft schnuppern und schraubte ihn auf knapp 4000 Meter, was aber nur mit Unterstützung der „Taunuswelle“ möglich war.

 

 

 

Der Doppelraab war zum Umbau auf einen Motorsegler bei vielen Bastlern sehr beliebt und so existierten in den 70er und 80er Jahren viele verschieden Ausführungen im Bundesgebiet. Da wir Bastler untereinander in Kontakt standen, wurde für einige Zeit ein jährliches „Raabentreffen“ organisiert.

 

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Zeigt dieses Treffen 1992 in Oppenheim am Rhein. Wie zu erkennen ist, lockte die Veranstaltung zahlreiche interessierte Zuschauer an. Unser Mora hatte hier sogar ein Dreibeinfahrwerk.

 

 

 

Aber aufgrund der engen Platzverhältnisse im Cockpit wurde es für Rolf mit seinen 1,92 Meter im Lauf der Zeit immer unbequemer zu fliegen. So überließ er mir überwiegend den Flieger und ich konnte dabei mehrere hundert Stunden ohne nennenswerte Störung über Deutschland gondeln. Als sich aber Fliegerkameraden aus Lauterbach für den Mora interessierten verkaufte er ihn dann kurzer Hand dorthin, wo auch schon ein mit Käfermotor umgebauter Raab stationiert war. Wie sich jetzt heraus stellte, wurde er bald danach nach Österreich weiter verkauft, wurde dort aber offensichtlich nicht mehr geflogen. Inzwischen ist Rolf leider verstorben. Seine  Tochter aber hat den Mora vor gut einem Jahr in Österreich aufgestöbert und zurück gekauft. Sie hat ihn dem Segelfliegermuseum auf der Wasserkuppe gestiftet, wo er von Dag Peters mit seinen Kollegen in liebevoller Kleinarbeit für die Ausstellung restauriert wurde. Seit dem 2. Juni diesen Jahres (2012) ist er nun dort zu sehen. Von Dag sind auch die zwei hier gezeigten aktuellen Aufnahmen, die er mir freundlicher Weise zur Verfügung stellte. Auch hier wiederum eine schöne und über das Hobby verbindende Erfahrung. Die Familie Peters ist wohl wie es sich zeigt seit Generationen eng mit dem Segelflug auf der Wasserkuppe verbunden. Seinen Vater Heinz Peters, ein echtes Rhöner Urgestein traf ich schon während meiner Militärzeit 1941 in Zellhausen bei Aschaffenburg, wo er als Lastenseglerlehrer tätig war. In den Nachkriegsjahren dann wieder häufig, als ich im wieder aufstrebenden Segelflug des öfteren auf der Wasserkuppe war. Er agierte damals dort als Wirt der bei den Segelfiegern so beliebten Segelfliegerklause "Peterchen's Mondfahrt".

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Im August 2012 besuchte ich das Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe und konnte so das unter meiner Mitarbeit vor 43 Jahren entstandene Fluggerät nochmal in Augenschein nehmen. Nach Recherche in meinem Flugbuch habe ich in den Folgejahren bis zum Verkauf über 200 Flüge ohne jegliche nenneswerte Beanstandung damit absolviert.

 

 

 

Rolf`s anderes Bastlerobjekt aber, der Messerschmidt- Propellerschlitten steht bereits seit einiger Zeit im Technikmuseum in Sinsheim.

 

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